Straßenfotografen

Straßenfotografen - Blog-Beitrag von Fotograf Arlequin Photografie / 10.06.2020 16:30

oder: "Wie durch kleine Begebenheiten, Bilder eine ganz neue Bedeutung erfahren."

Ist Ihnen in der Fotografie schon einmal der Name Jacobi aufgefallen? Zu meiner Schande muss ich gestehen, dass ich noch nie etwas von Lotte Jacobi, geschweige denn von ihrer Schwester Ruth gehört hatte. Es könnte sein, dass sie mir 2017 in der Ausstellung "Die Erfindung der Pressefotografie – Aus der Sammlung Ullstein 1894-1945" in Berlin "unter die Augen gekommen" sind, zumindest Lotte.

Am 24. Mai 2020 besuchte ich eine Ausstellung im Kunst- und Kulturzentrum der Städte-Region Aachen in Monschau. Im Ankündigungstext heißt es: "Lotte Jacobi wurde als Repräsentantin der „Neuen Fotografie“ bereits in den zwanziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts bekannt. Berühmt machten sie ihre Persönlichkeitsbildnisse u. a. von Lotte Lenya, Albert Einstein oder Käthe Kollwitz. Ruth stand Zeit ihres Lebens im Schatten ihrer berühmten Schwester Lotte. Das Œuvre von Ruth ist bis heute weitgehend unbekannt geblieben. Die Ausstellung vereint zum ersten Mal weltweit das fotografische Werk – bestehend aus Porträts, Stillleben, Reportagen, Lichtbildern und Experimentalaufnahmen – der beiden Schwestern. Neben den Schwarz-Weiß-Aufnahmen werden im Rahmen der Ausstellung zahlreiche Briefe, persönliche Dokumente und Fotos der Familie Jacobi aus der Zeit in Westpreußen, Berlin und den USA gezeigt. Somit entsteht ein persönliches Bild einer der ältesten Fotografenfamilien im Ostdeutschland der Vorkriegszeit, das auch die nicht konkurrenzfreie Geschwisterbeziehung thematisiert." Nach dem Lockdown der Corona-Krise tat es gut, mal wieder eine Fotoausstellung zu besuchen.

Die Bilder der Ausstellung in Monschau haben mir bis auf wenige Ausnahmen (die Photogenic’s waren nicht so mein Ding) gut gefallen und da mache ich keinen Unterschied zwischen den beiden Schwestern. Und es zeigt sich mal wieder – übrigens auch in der Ausstellung der Sammlung Ullstein in Berlin – wieviel durch Vorurteil, Populismus, Rassismus, Faschismus und Totalitarismus etc. zerstört wird. Glück für die, die noch rechtzeitig das Land verlassen konnten und Glück für das aufnehmende Land, in dem sie sich entfalteten. Und Pech für das so "geliebte Vaterland" in dem die Vielfalt des Kunstschaffens per Dekret beendet wird.

Und manchmal wird durch ein einzelnes Bild der Besuch einer Ausstellung noch interessanter. Mir fiel spontan ein Bild in der Reihe "Rußland 1932/33" auf, weil ich dort etwas entdeckt habe. Ich wollte darüber schreiben, fand das Bild leider nirgends im Internet (in der Ausstellung durfte man nicht fotografieren). So habe ich das Buch "Rußland 1932/33. Moskau, Tadschikistan, Usbekistan", Broschiert – 1. November 1990 von Lotte Jacobi (Autor), Marion Beckers (Mitwirkende), Elisabeth Moortgat (Mitwirkende), gekauft, welches nur noch im Antiquariat erhältlich ist.

Auf Seite 27 fand ich das angesprochene Bild. Es entstand 1932 in Moskau und trägt den Titel "Straßenfotograf". Es ist nicht der Straßenfotograf (oder Streetphotographer) in unserem Verständnis. Hier zieht keiner durch die Straßen Moskaus und fängt "Situationen" ein. Der Straßenfotograf arbeitet an der Straße, baut Tag für Tag sein "Atelier" in einer ruhigeren Ecke auf und ab, während Menschen an ihm vorbei ziehen oder direkt aufsuchen. An seiner "unhandlichen" Kastenkamera hängt eine gerahmte Platte und zeigt Beispiele seiner Arbeit. Beindruckend ist auch die Verwendung eines anscheinend selbst bemalten Hintergrundbild für die Portraitaufnahmen. Er wird nicht der einzige Fotograf in Moskau gewesen sein, der in den 30er Jahren so seinen Lebensunhat bestreitete.

Lotte Jacobi muss an dieser Szene ein besonderes Interesse gehabt haben. 1932 ist jedenfalls weit entfernt jeglicher digitaler Fotografie, die Anzahl der mitgeführten Filme daher begrenzt, und, etwas das man nicht vergesen darf: Wir befinden uns 1932 in der Stalinisierung der Sowjetunion. Lotte Jacobi äußerte sich später: "Schwieriger als in der Sowjetunion zu fotografieren sei es gewesen, die Fotos herauszubekommen." Alle diese Widrigkeiten führen letztendlich dazu, seine Motive mit Bedacht auszuwählen.

Ca. 70 Jahre später war ich im Norden Afghanistan unterwegs. Im Gepäck hatte ich die erste DSRL, die unter 1000 € zu haben war. Beeindruckt von der völlig anderen Kultur und Lebendsart in Zentralasien, unabhängig von analogen Filmrollen und auch keine Problem, die Bilder anschließend außer Landes zu bekommen, fotografierte ich alles, was mein Interesse weckte. Natürlich war für mich als Straßenfotograf im ganz anderen Sinne die Geschäftsstraße im afghanischen Taloqan eine Fundgrube an Motiven. Zwischen kleinen Läden und Verkaufsständen im Freien (es war Dezember, nasskalt und die Straßen waren mit Matsch aus Schnee und Sand überzogen) fand ich ihn, meinen Straßenfotografen. Ohne damals von Lotte Jacobi zu wissen, geschweige denn von ihrem Bild, fotografierte ich eine Szene, die sich vom Straßenfotograf 1932 in Moskau von Lotte Jacobi nicht groß unterscheidet.

Manchmal sind es die kleinen Dinge, die Details, die uns begegnen und dadurch einem Bild eine andere Wertung geben. Ein 2004 aufgenommenes Bild erfährt 2020 durch ein Bild aus dem Jahre 1932 eine ganz neue Bedeutung.

Hong Kong Monochrom – a different view

Hong Kong Monochrom - a different view - Blog-Beitrag von Fotograf Olli Gräf / 21.02.2020 12:46

Im Rahmen der Aktion "Eine Leica Monochrom auf Reisen" von Foto-Görlitz war ich einer der glücklichen Teilnehmern und war mit einer Monochrom 1 Woche in Hong Kong. Daraus ist mein Buch "Hong Kong Monochrom – a different view" entstanden.

Das Buch ist ab sofort in meinem Shop erhältlich.

Hong Kong entzieht sich mehr noch als andere Weltstädte jeder griffigen Beschreibung.

Weder bloße Zahlen, Daten, Fakten noch die üblichen Hochglanz-Zuschreibungen – faszinierende, glitzernde Metropole an der Mündung des Perlflusses – erfassen die wahre Bedeutung dieser Stadt.

Bewohnt von über 7 Millionen Menschen überwiegend kantonchinesischer Abstammung – und dennoch historisch auch westlich geprägt.
Von der Volksrepublik China nur einen Steinwurf weit entfernt – und doch liegen Welten dazwischen.

Hier prallt liberale auf gelenkte Marktwirtschaft, stehen sich ein streng autoritäres Regime und der unbeirrbare Wunsch, das starke Verlangen nach Demokratie wohl unversöhnlich gegenüber.

Diese und viele andere Gegensätze auf kleinstem Raum sind es wohl, die Hongkong so einzigartig machen.

Hinter der glitzernden Skyline und der boomenden Wirtschaft findet die Kamera die Armut der Cage People und ein traditionell asiatisches Straßenleben. Enge, Lärm und Schmutz einer der am dichtesten besiedelten Regionen der Welt drängen sich auf, doch dann öffnen sich schmutziggraue Häuserschluchten und geben den Blick frei auf das satte Grün der umliegenden Hügel.

So eng, so bedrängt geht es hier zu, dass das Auge automatisch die Fassaden entlang nach oben sucht, um wenigstens ein Stückchen Himmel zu erhaschen.
Dabei drängen sich mal chaotische, verwirrende, dann wieder streng geometrische, geordnete Strukturen der Architektur auf.

Dieselbe Vielfalt findet sich
in der Bevölkerung – es ist Platz für alle, für jeden, denn auch Toleranz und ein gutes Miteinander der Religionen und Kulturen sind typisch für Hongkong.

Eine Weltstadt, wo das Banale und das Besondere wohl so nahe beieinander liegen wie nirgendwo sonst – doch um dies zu entdecken und einzufangen braucht es den Blick eines Fotografen, der um das sprudelnde Leben hinter den Kulissen weiß und sich nicht mit Fassaden zufrieden gibt.


Und es braucht vielleicht auch eine besondere Form der Fotografie: Schwarzweiß wird das Bild inhaltlich auf das Wesentliche reduziert.

Nichts lenkt mehr ab, fast schon altmodisch fordert das Motiv den Betrachter auf, wirklich hinzuschauen.

Glamour und Glitzer haben im starken Kontrast von Schwarz und Weiß keine Chance – nur im besten Sinne farblos entwickeln die Bilder ihre innere Stärke.

Die Leica Monochrom verlangt noch genaueres Hinsehen, aber auch ein Vorausschauen, Abwarten und Sich-Einlassen,
damit in der Reduzierung das sprudelnde Leben authentisch abgebildet werden kann.


A different view, punktgenau auf die Spitze getrieben.

Ausstellung-Empfehlung Berlin

Ausstellung-Empfehlung Berlin - Blog-Beitrag von Fotograf Thomas Illhardt / 24.04.2019 12:20

2 sehenswerte Ausstellungen in einer ganz wunderbaren Galerie. Das Kulturhaus Chaussee 36 liegt genau gegenüber dem fürchterlichen BND-Gebäude in Berlin Mitte (Chausseestr.36).

Zum einen wird die Ausstellung "women on view" gezeigt. Ein Sammelsurium von tollen Bilder aus Werbung und Fotografie. Künstler wie Newton, Sieff, von Unwerth bis zum Berliner Fotografen Rath werden dort präsentiert .Immer ist es die Frau, die das Hauptmotiv auf unterschiedlichste Art und Weise darstellt.

Zum anderen werden die Aktbilder der Deutschen Fotografin Karin Szekessy präsentiert. Unglaubliche SW-Bilder mit einer ganz eigenen Dynamik, die den Betrachter sofort in ihren Bann ziehen. Alle Aufnahmen sind analoge Fotografien, die ihre ganz eigene Wirkung zeigen.

Aber es sind nicht nur die Bilder, die in dieser Galerie begeistern, es ist auch die wunderbare Architektur des Hauses, die die Besucher zum Staunen bringt. Diese Kulisse in Verbindung mit der Kunst geben ein einzigartiges Erlebnis, das man sich nicht entgehen lassen sollte.

Mehr unter:http://galerie36berlin.com/de/